Es heißt „Gehweg“, nicht „geh weg“.

Wenn Radfahrende verbotswidrig auf den Fußweg ausweichen, dringen sie in einen Verkehrsraum ein, in dem sich die Teilnehmenden viel langsamer bewegen. Dieser Bewegungs- und Schutzraum für Fußgänger*innen ist der einzige Raum, wo sie sich sicher fühlen können. Sie erschrecken, wenn sich überraschend ein Fahrrad nähert und werden mitunter zu einer reflexhaften Reaktion gezwungen, mit der die Person auf dem Rad nicht gerechnet hat. Aber auch wenn in den allermeisten Fällen nichts (Schlimmeres) passiert, kann so ein Schreck auch zu Stürzen oder Kollisionen führen. Gerade ältere Menschen können dadurch schwere Verletzungen erleiden. Und kleine Kinder bewegen sich oft spontan und schwer vorhersehbar.

Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter so sehr wie das Radfahren auf Gehwegen. Stellen wir deswegen vorweg fest: Radfahren auf Gehwegen ist nicht erlaubt. Diskussionen über Radinfrastruktur enden aber oft in reflexhaften Schuldzuweisungen: „Radfahrer*innen fahren sowieso immer auf dem Gehweg. Wozu brauchen die Radwege?“ Rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr ist ärgerlich und meist gefährlich. Aber nicht alle Radfahrenden, die auf den Gehweg ausweichen, tun dies aus Egoismus. Die Gründe für dieses Verhalten sind vielfältig: nicht vorhandene oder blockierte Radwege, mangelnde Querungsmöglichkeiten am Ziel, Kopfsteinpflaster, das Umfahren von Ampeln oder des sich stauenden Kfz-Verkehrs – oder auch einfach die Angst davor, auf der Straße zu fahren. Die dahinterliegende Motivation ist also entweder Unsicherheit oder Bequemlichkeit – und in der Regel eine Folge der Optimierung des Verkehrsflusses für Kfz.

Ziemlich jede*r weiß, dass Radfahren auf dem Gehweg verboten ist, aber die meisten tun es dennoch ab und zu, zumal die Gefahr, dabei jemanden ernsthaft zu verletzen, als gering eingeschätzt wird. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts galt auf den Straßen weitestgehend unregulierte Bewegungsfreiheit für jegliche Mobilitätsform. Mit zunehmendem motorisierten Verkehr stieg jedoch die Unfallwahrscheinlichkeit und -schwere an. Deshalb begann man den Verkehr zu regulieren – hauptsächlich, um den Kfz-Verkehr zu normieren. Bis Mitte der 1930er Jahre wurde der Verkehrsraum fast vollständig zwischen Fußgänger*innen und Fahrzeugen aufgeteilt. Die erste StVO trat in Kraft und schränkte die Rechte der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer*innen stark ein. Die ersten Radwege – die „Straßen des kleinen Mannes“ – wurden damals von Kfz-Fahrer*innen gefordert, damit Fahrräder nicht auf der Fahrbahn „stören“. Obwohl Pkw zahlenmäßig noch weit in der Unterzahl waren, hatte die Autolobby von Anfang an großen Einfluss. Die heutige Aufteilung der Straßen lässt dies leicht erkennen: Viele Radspuren entstanden durch Aufteilung des Fußwegs, und die beiden Verkehrsformen wurden oft ohne bauliche Trennung nebeneinander geführt. Der Konflikt ist also struktureller Natur, aber spielt die Platzverlierer*innen gegeneinander aus.

Beteiligte an Straßenverkehrsunfällen 2019 in Deutschland (mit Personenschaden, innerhalb von Ortschaften)

Quelle: Destatis 2019

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Fußgänger*innen (Hauptverursacher*in) mit Radfahrenden

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Radfahrende (Hauptverursacher*in) mit Fußgänger*innen

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Pkw-Fahrer*innen (Hauptverursacher*in) mit Fußgänger*innen

Bahnentrenner
Verursacherquote bei Kollisionen zwischen Fußgänger*innen und Radfahrenden in Berlin 2019

Quelle: Berliner Zeitung

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Fußgänger*innen

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Radfahrer*innen

»Stellt euch doch nicht so an.«

Der Konflikt zwischen Radfahrenden und Fußgänger*innen ist also auf jahrzehntelange Fehlplanung zurückzuführen. Während der Fußverkehr deutschlandweit abnimmt, nimmt parallel der Radverkehr besonders in Städten zu. Aber erst in den letzten Jahren gab es zaghafte Schritte, den Platz für den Radverkehr auch auf der Fahrbahn (statt auf dem Gehweg) sicher zu gestalten. Damit wird Radeln auf Gehwegen zwangsläufig unattraktiv.

Statistisch spielt Radeln auf Gehwegen eine untergeordnete Rolle bei den Unfallursachen, allerdings werden glimpflich verlaufene Situationen selten erfasst. Nur weil Radfahrende selbst kein Problem mit Fahrrädern auf dem Gehweg haben, muss das nicht für andere Menschen gelten. Laut StVO müssen Radfahrende bei der Benutzung des Fußwegs sowieso schieben. 

Aber es gibt auch Ausnahmen: Bis zum Ende des vollendeten zehnten Lebensjahres dürfen Kinder mit dem Rad auf dem Gehweg fahren. Unter acht Jahren müssen sie dies sogar und dürfen von einer Aufsichtsperson begleitet werden. Es gibt explizit beschilderte gemeinsame Fuß- und Radwege – blaues Schild mit waagerechtem Strich zwischen Fußgänger*innen- und Fahrradsymbol – oder das Zusatzschild „Radfahrer frei“. Hier muss allerdings mit besonderer Vorsicht gefahren werden, bei letzterem sogar ausdrücklich in Schrittgeschwindigkeit – der Fußverkehr hat dabei Vorrang.

Bußgelder und Punkte bei einem Rotlichtverstoß
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Euro
kostet es, mit dem Fahrrad verbotswidrig auf dem Gehweg zu fahren

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… mit Gefährdung

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… mit Unfallfolge

Quellen