Jede*r kennt es: Man ist gerade unterwegs und das Handy vibriert. Zu Fuß kann man immerhin schnell auf die Nachricht antworten – oder doch nicht? Britische Forscher*innen fanden heraus, dass Teilnehmer*innen einer Untersuchung für eine Strecke, die sie ohne Telefon in durchschnittlich in 4,8 Sekunden zurücklegten, beim Tippen einer Nachricht satte 10,5 Sekunden brauchten. Auch Radfahrende fuhren bei ähnlichen Tests erheblich langsamer. Elektronische Kommunikation im Straßenverkehr spart also keine Zeit. Sie bremst und kostet Aufmerksamkeit, die man nicht dem Straßenverkehr widmet. Wie oft Handynutzung ursächlich zu Unfällen führt, wird nicht erfasst – wir unterschätzen alle die Ablenkung, die ein Tweet, eine SMS bedeuten kann. Auf der Straße, vor allem im Pkw oder im Lkw, kann sie tödliche Folgen haben.
Einer Forsa-Umfrage der Dekra zufolge sind zu jedem beliebigen Zeitpunkt sieben Prozent der Autofahrenden durch ihr Handy abgelenkt – am häufigsten innerorts. Für zu Fuß Gehende und Radfahrende in den Städten bereitet diese Zahl ernsthaften Grund zur Sorge: Wer ungeschützte Verkehrsteilnehmende nicht wahrnimmt, kann ihnen auch nicht ausweichen. Am Steuer eines Autos hat man aber bei moderaten 30 km/h nach einem einsekündigen Blick aufs Display bereits mehr als acht Meter im Blindflug zurückgelegt. Dazu ein aufschlussreiches Experiment: Eine belgische Fahrschule behauptete gegenüber unwissenden Teilnehmer*innen, dass die Fahrprüfung nur bestanden wird, wenn man gleichzeitig fahren und eine SMS tippen kann. Doch niemand war in der Lage, mit Blick und Konzentration auf das Telefon rechtzeitig auszuweichen oder vorausschauend zu fahren.
Auch wenn von Fußgänger*innen oder Radfahrenden ein geringeres Gefährdungspotenzial ausgeht, so kann jede*r abgelenkte Verkehrsteilnehmer*in gefährliche Unfälle verursachen. Für Auto- und Radfahrende ist die aktive Handynutzung beim Fahren daher verboten. Trotzdem steigt die Zahl der Anzeigen wegen verbotswidriger Handynutzung am Steuer seit Jahren. Wie viele Unfälle genau auf dieses Fehlverhalten zurückzuführen sind, lässt sich nicht genau sagen, da Verursacher*innen zu Schutzbehauptungen neigen und die polizeiliche Statistik diesen Wert oft nur noch in der Rubrik „Sonstige“ führen. Studien und Schätzungen gehen davon aus, dass jeder zehnte Todesfall im Straßenverkehr auf Ablenkung zurückzuführen sei.
Quelle: Dekra
der Autofahrer*innen befürworten häufigere Kontrollen der Handynutzung am Steuer
der Autofahrer*innen benutzen ihr Handy zumindest hin und wieder am Steuer
der Autofahrer*innen wurden schon einmal wegen Handynutzung am Steuer von der Polizei angehalten oder kontrolliert
Quelle: Polizei Berlin
geahndete Handyverstöße jährlich
Verkehrsunfälle, die ursächlich auf die verkehrswidrige Nutzung eines Mobil- oder Autotelefons zurückzuführen sind
Der Eindruck, trotz Handynutzung weiterhin aufmerksam das Geschehen um sich herum wahrzunehmen, ist Selbsttäuschung. Psycholog*innen nennen das „Inattentional Blindness“: Das Gehirn fokussiert sich auf das Smartphone und setzt die Aufmerksamkeit für Umgebungssignale herab. Niemand würde mit geschlossenen Augen eine Kreuzung überqueren, Rad oder Auto fahren – der Blick aufs Display ist praktisch genau das Gleiche. Entscheidend ist vor allem, wie viel Strecke man dabei zurücklegt und wie viel man währenddessen übersehen kann. Deswegen gefährden Fußgänger*innen vor allem sich selbst, Radfahrende sich selbst und andere und Autofahrende vor allem andere.
In einem Tweet der Polizei Hamburg vom 11. August 2020 wird ein fiktives Kind in einem „Brief an einen Autofahrer“ zitiert: „Ich weiß, du hast es nicht böse gemeint. Du wolltest einfach nur kurz eine Nachricht auf deinem Handy lesen und hast deshalb auch nicht so sehr auf die Geschwindigkeit geachtet.“ Diese Geschichte endet damit, dass das Kind aus „dem Himmel“ heraus verzeiht. Altbekannte Narrative, wie wir sie tausendfach auf Plakaten an der Autobahn sehen. Und dennoch ist der kurze Blick aufs Handy lange nicht so verpönt wie Alkohol am Steuer. Dabei hat Handynutzung den Alkoholkonsum am Steuer als Unfallursache längst übertrumpft. Wir sind jederzeit vernetzt, laufen aber Gefahr, uns aus dem realen Leben auszuklinken – und werden so zu einer Gefahr für andere. Der Appell des Dekra-Experten Clemens Klinke lautet: „Früher galt es als Kavaliersdelikt, nach einem fröhlichen Abend bei Bier und Wein mit dem Auto nach Hause zu fahren. Das hat sich fundamental geändert – heute ist ein solches Verhalten gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert. In Sachen Ablenkung durch Smartphones am Steuer müssen wir aus meiner Sicht zu genau derselben sozialen Ablehnung kommen.“
Euro
Radfahren mit Handy in der Hand
Euro und 1 Punkt
Telefonieren am Steuer
Euro, 2 Punkt und 1 Monat Fahrverbot
Telefonieren am Steuer mit Sachbeschädigung